Anlässlich des Europäischen Jahres für Entwicklung 2015 lud die corporAID Plattform am 29. September 2015 zu einer eintägigen Konferenz in die Raiffeisen Zentralbank in Wien. Rund 100 Teilnehmer aus Unternehmen, öffentlicher Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten mit österreichischen und internationalen Experten, wie sich Österreich in Zukunft fokussierter als bisher an seinen eigenen Stärken und Kompetenzen orientieren und sich damit nicht nur in einem dynamischen internationalen Marktumfeld besser positionieren, sondern auch einen wichtigen Beitrag zu globaler Entwicklung leisten kann.

Themensession Rohstoffe

Das Generalthema der Konferenz wurde in vier Themensessions vertiefend behandelt. Eine Session widmete sich der Versorgungssicherheit im Rohstoffsektor. Leopold Weber, Vizepräsident der Weltbergbaukongresse, Bruno Hribernik, Geschäftsführer der österreichischen Informations- und Wissensplattform für österreichische Stahl- und Metallhersteller ASMET, RenéMatscheko, Geschäftsführer der voestalpine Rohstoffbeschaffung GmbH, Markus Wagner, Leiter des Sektorprogramms Extraktive Rohstoffe der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und Wolfgang Pinkl, Senior Manager für die Beratung von Kunden im Bereich Industry bei KPMG, beleuchteten die Herausforderungen bei der Versorgungssicherheit im Rohstoffsektor. Diskutiert wurden u.a. Lösungsansätze, um die Schaffung investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen, Capacity Building und Technologietransfer zu unterstützen sowie die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit als Katalysator.

Von links: Rene Matsche (voestalpine), Bruno Hribernik (ASMET), Bernhard Weber (ICEP/corporAID)

Von links: Rene Matsche (voestalpine), Bruno Hribernik (ASMET), Bernhard Weber (ICEP/corporAID)

Herausforderungen im Rohstoffsektor

Leopold Weber ging in seinem Impulsvortrag zunächst auf den enormen Bedarf Österreichs an primären Rohstoffen ein. Nahezu jedes Produkt enthält heute mineralische Rohstoffe, die in Österreich zum Großteil importiert werden müssen. Der Verbrauch von 187 Millionen Tonnen an Primärrohstoffen pro Jahr –ein jährlicher mineralischer Rohstoffbedarf von 16 Tonnen pro Österreicher  –mache die Frage der Rohstoffsicherung zu einem Kardinalthema. Dabei, so Weber, seien Rohstoffe in ausreichender Menge vorhanden, verändert habe sich aber deren Verfügbarkeit. Zwei Drittel der Rohstoffe werden aus politisch instabilen Regionen importiert, ebenso stellen  Rohstoffkrisen aufgrund von  Versorgungsproblemen, z.B. ein Einstellen der Gaslieferungen in der Ukraine, Verknappungsfaktoren dar. Die konstante Versorgung mit Rohstoffen bei möglichst geringer Kapitalbindung sei eine der zentralen Fragen für den Wirtschaftsstandort Österreich, erklärte Wolfgang Pinkl. Es sei jedoch aufgrund der zusehends volatiler werdenden Rohstoffmärkte schwierig, Mengen und Preiskurve konstant zu halten. Bruno Hribernik hob in seinem Impuls das ungenützte Potenzial von Sekundärrohstoffen hervor. Stahl sollte eigentlich aus Schrott und nicht aus Roheisen erzeugt werden. Oftmals würden umweltrechtliche Vorgaben ein Recycling verhindern, Schlacke aus der Stahlerzeugung könnte z.B. statt der Lagerung auf der  Deponie für den Straßenbau eingesetzt werden. RenéMatscheko beschrieb die Herausforderungen bei der Rohstoffbeschaffung aus Unternehmenssicht. Rohstoffmärkte sind für die voestalpine extrem relevant. 90 Prozent der von der voestalpine benötigten Mengen an Rohstoffen werden international beschafft. Hauptziel sei es, die Rohstoffe zu wettbewerbsfähigen Preisen zu importieren. Physische Barrieren wie vereiste Flüsse, ein Niedrigwasserstand auf der Donau oder Bahnstreiks wie auch Handelsbarrieren stellen große Probleme dar. Als Rohstoffeinkäufer müsse man diese

Probleme einberechnen und Abweichungen managen. Markus Wagner lenkte den Blick auf die Herausforderungen aus entwicklungspolitscher Sicht: mangelnde Governance, Ineffizienz und Missmanagement, ungeklärte Zuständigkeiten, überzogene Erwartungen der Bevölkerung, die Nicht-Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen, Korruption und unzureichende Fiskalregime stünden einer nachhaltige Entwicklung in den Abbauländern entgegen.

Lösungsansätze für eine planbare Versorgung mit Rohstoffen

In der Diskussion um Lösungsansätze kristallisierten sich vor allem zwei Themenbereiche heraus: Die Verbesserung der Ressourceneffizienz durch eine stärkere Nutzung von Sekundärrohstoffen und die Bedeutung von Kooperationen für die Sicherung von Rohstoffen.

Die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus den verbrauchten Gütern sollte in Zukunft forciert werden. Hier brauche es eine Lockerung des bestehenden gesetzlichen Rahmens und das Know-how, um den Transformationsprozess der Technologien zu unterstützen. Angesprochen wurde auch die Wichtigkeit von Investitionen in Forschung und Ausbildung, um Alternativen zu entwickeln, die z.B. Rohstoffe wie Sand substituieren können.

In Hinblick auf Kooperationen wurden zunächst die Aufgaben der Akteure abgesteckt. Die Rohstoffversorgung, so die Podiumsteilnehmer einhellig, sei Aufgabe der Wirtschaft, Aufgabe des Staates sei das Setzen flankierender Maßnahmen. Im Sinne dieser Aufteilung seien Rohstoffpartnerschaften als Teil eines Mix zur Rohstoffsicherung sinnvoll, aber nicht die Lösung, stimmten Leopold Weber und Markus Wagner überein. Aus entwicklungspolitischer Sicht, führte Wagner weiter aus, gehe es darum, durch langfristige Strategien und Partnerschaften die Rahmenbedingungen in den Lieferländern zu verbessern. Die GIZ könne ihre Erfahrung sehr gut in das Dreieck aus Privatwirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft einbringen und arbeite mit Fachorganisationen und regionalen Netzwerken zusammen. Wolfgang Pinkl unterstrich, dass Kooperationen mit staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren zur Schaffung von Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung für die Industrie seien, um in einem Land tätig werden zu können. Die voestalpine, so RenéMatscheko, denke in Partnerschaften mit den Hauptlieferanten in den Lieferländern –eine aus seiner Erfahrung werteorientierte Zusammenarbeit, die sehr gut funktioniere. Bruno Hribernik verwies abschließend auf den positiven Beitrag, den Unternehmen für globale Entwicklung leisten. Unternehmen müssten schnell auf Veränderungen reagieren können, dieser Handlungsspielraum dürfe nicht durch Regulative eingeschränkt werden.